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Hamburgisches Oberverwaltungsgericht

Bs III 65/96
11 VG 4855/95

Beschluß

In der Verwaltungsrechtssache

Scientology Kirche Hamburg e.V.,
vertreten durch den Vizepräsidenten
Franz Riedl,
Steindamm 63,
20099 Hamburg,

Antragsteller,

Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwälte W. Blümel, D. Reichert,
K. Henning, S. Bergsteiner, D. Beloch,
[Adresse gelöscht]

g e g e n

  1. Freie und Hansestadt Hamburg,
    vertreten durch die Behörde für Inneres,
    Amt für Innere Verwaltung und Planung,
    - Arbeitsgruppe Scientology -,
    Hachmannplatz 2,
    20099 Hamburg,
    Az.: AGS-10.1/1
  2. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt
    Hamburg,
    diese vertreten durch ihre Präsidentin
    [gelöscht]
    Rathausmarkt 1, 20095 Hamburg,

Antragsgegner

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, III. Senat, durch die Richter Dr. Hoppe, Dittmann und Korth am 15. Juni 1998 beschlossen:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 7. März 1996 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht und mit überzeugender Begründung, die der Antragsteller durch die weitläufigen Ausführungen zur Begründung des Rechtsmittels nicht hat erschüttern können, abgelehnt, die im Antrag zu I 1 begehrte einstweilige Anordnung - nur insoweit ist Beschwerde erhoben - zu erlassen. Die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO sind nicht erfüllt. Es fehlt zumindest daran, daß dem Antragsteller der Unterlassungsanspruch zusteht, dessen er sich berühmt.

Dahinstehen kann, ob der Antragsteller überhaupt Akte der Kommunikation zwischen dem Senat und der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg gerichtlicher Prüfung unterstellen kann. Die Äußerung des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg in der Bürgerschafts-Drucksache 15/4059, in den Bereich der "Ethik-Maßnahmen" falle die sog. "Freiwild-Doktrin", in der es heiße, eine unterdrückerische Person werde zum Freiwild, ist weder unrichtig noch ihrer Form nach zu beanstanden (1); die im Antrag weiterhin aufgeführte Behauptung, aus der Doktrin ergebe sich die Folge, selbst massivste Straftaten gegen Scientologie-Gegner seien ethikgemäß im Sinne der Scientologie-Ethik, ist in jener Bürgerschafts-Drucksache nicht aufgestellt (2).

1. Auf die Prüfung, ob der HCO Policy Letter vom 7. März 1965 (Anlage 1), aus dem in der Bürgerschafts-Drucksache unstreitig wortgetreu zitiert ist, noch maßgebend ist oder ob eine abweichende Fassung, ggf. welche gilt, kommt es so wenig an wie darauf, die Ethik der Scientology zu analysieren. Die Äußerung des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg ist jedenfalls inhaltlich richtig.

Nach der HCO Policy Letter vom 23. Dezember 1965 (Anlage K 59) wird eine "suppressive Person or group" Freiwild ("fair game"), also eine Person oder Gruppe, die sich als Gegner von Scientology betätigt. Erläuternd ist hinzugefügt, mit Freiwild sei gemeint, daß die Person oder Gruppe nicht länger durch "codes and disciplines of Scientology" oder die Rechte eines Scientologen geschützt sei. Zweifelhaft bleibt es, ob durch den HCO Policy Letter vom 10. September 1983 (Anlage K 61) der vom 23. Dezember 1965 verbindlich neugefaßt und damit zum einen der Ausdruck "fair game" getilgt und zum anderen dessen Erläuterung abweichend formuliert worden ist. Wie die Antragsgegnerin unwidersprochen vorträgt und belegt, wurde 1986 eine Schrift "Modern Management Technology Defines" im Neudruck herausgegeben, in der der Ausdruck "fair game" ebenso erläutert ist wie im HCO Policy Letter vom 23. Dezember 1965, auf den auch ausdrücklich verwiesen ist. Selbst wenn dieser Ausdruck formal getilgt sein sollte, ist es danach noch immer zutreffend, die Doktrin als "Freiwild-Doktrin" zu bezeichnen: Die Aussage, daß ein Gegner nicht durch "codes and disciplines" von Scientology oder durch die Rechte eines Scientologen geschützt ist, oder die ähnliche Aussage, daß er die Rechte eines Scientologen aufgebe und die Vorteile aus Codizes von Scientology nicht habe, stimmt nach verbindlicher Definition mit dem Bedeutungsgehalt des Wortes "Freiwild" überein. Welcher Bedeutungsgehalt dem Ausdruck "Freiwild" im einzelnen nach dem Verständnis von Scientology zukommt, ist unerheblich. Ein vom gewollten Sinn abweichendes Verständnis des Lesers der Bürgerschaftsdrucksache wäre durch die Wortwahl des Autors und nicht durch das Zitat bedingt.

Daß es sich um eine sachliche und nicht auf Abwertung angelegte Berichterstattung handelt, ist klar.

2. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat die Folgerung aus den wiedergegebenen Inhalten des in Rede stehenden HCO Policy Letter nicht gezogen, die ihm der Antragsteller in seinem Antrag zuschreibt, daß selbst massivste Straftaten gegen Scientology-Gegner ethikgemäß im Sinne der Scientology-Ethik seien. Er hat zunächst die These formuliert, die Aussage bedeute, Personen, die sich aktiv gegen Scientology betätigten, seien aus der Sicht der Scientology-Ethik rechtlos. Dies trifft zu. Der Ausdruck "fair game" bedeutet "what may be lawfully hunted or shot" oder im übertragenen Sinn "person or institution that may with reason be attacked or criticized" (Oxford Advanced Learner's Dictionary, 1988, Stichwort "game"). Dem entspricht die Erläuterung, daß die "suppressive person", bezogen auf die "Rechtsordnung" von Scientology, rechtlos sei. Die Folgerung aus dieser These, daß selbst massivste Straftaten nicht als unterdrückerische Handlung ("suppressive act") im Sinne der Scientology-Ethik anzusehen sind, ist offenbar zutreffend, da "suppressive acts" als Handlungen definiert sind, die sich gegen Scientology oder Scientologen richten, nicht also als solche, die deren Gegner bekämpfen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.

Hoppe       Dittmann       Korth